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Bundesweite Initiative zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs

Ausschnitte aus dem Theaterstück "Trau dich!"

Am 19. November 2014 wurde im Landestheater Tübingen eine Aufführung gefilmt.

Die Performerinnen und Performer stehen auf der Bühne und halten ihre Instrumente. Der Darsteller Johannes spielt ein paar Töne auf seinem Akkordeon. Er geht zum Mikro.
Johannes: Guten Morgen. Ich heiße Johannes und ich fühle mich einfach gut. Herzlich willkommen!
Die Kinder im Video winken nun den Performerinnen und Performern auf der Bühne zu. Die Performerinnen und Performer bemerken sie und winken zurück. Sie formieren sich als Band und beginnen gemeinsam Musik zu machen.
Das Video zeigt die Kinder, die hintereinander zur Kamera rennen, kurz davor abrupt stehen bleiben, jeweils ein Gefühl benennen und es mimisch darstellen. Es werden folgende Gefühle genannt:

•    Schockiert
•    Verliebt
•    Seltsam
•    Stolz
•    Unwohl
•    Aggressiv
•    Müde
•    Nutzlos
•    Happy
•    Aufgeregt
•    Selbstbewusst
•    Fantastisch
•    Positiv
•    Mulmig
•    Gespannt
•    Beleidigt
•    Einsam
•    Hoffnungsvoll
•    Ängstlich
•    Verlegen
•    Beleidigt
•    Eifersüchtig
•    Verzweifelt
•    Stark

Die Musik endet zeitgleich mit dem Ausruf des letzten Begriffs „Stark!“

Paula (Darstellerin Julia) taucht mit wuscheligen Haaren hinter der Rampe auf, wirft sich in eine Foto-Pose.
Paula: Das ist Paula. Paula ist vor kurzem 12 Jahre alt geworden. Sie tanzt für ihr Leben gern, hört viel Musik und mag Delfine.
Linda (Darstellerin Lisa) taucht ebenfalls auf, wirft sich in Pose.
Paula (ins Mikro): Das ist Paulas beste Freundin Linda.
Paula und Linda posieren zu einem Freundinnen-Bild.
Paula: Die beiden sind fast unzertrennlich.
Jakob (Darsteller Julian) taucht auf, Linda schaut ihn an.
Paula: Vor zwei Wochen hat Linda das erste Mal geküsst.
Linda:  Mit Zunge.
Jakob zeigt seine Zunge und taucht ab.
Paula: Seither redet sie nur noch übers Küssen.
Paula taucht ab.
Linda: Ein Zungenkuss ist einfach der Anfang von allem Schönen!
Linda taucht ab.
Jakob und Tuncay (Darsteller Johannes) tauchen auf. Sie begrüßen sich mit Handschlägen. Paula taucht zwischen den Jungs auf.
Paula: Das sind zwei Jungs aus Paulas Klasse.
Tuncay taucht ab.
Paula: Jakob hat schon vor einem Jahr das erste Mal geküsst.
Paula taucht ab.
Jakob: Küssen ist doch kinderleicht. Ich weiß gar nicht, was ihr immer alle habt.
Küssen ist total normal.
Jakob taucht ab.
Paula und Tuncay tauchen auf.
Paula: Und das ist Tuncay. Der hat bestimmt auch schon richtig oft geküsst.
Paula und Tuncay schauen sich an.
Paula: Glaubt Paula.
Paula taucht ab, Tuncay schaut ihr nach.
Tuncay verlegen: He he.
Tuncay taucht ab.

Vladimir (Darsteller Julian) steigt unter dem Tuch hervor.
Vladimir: Das ist Vladimir.
Vladimir zeigt auf den Tuchhaufen
Vladimir: Und das ist Vladimirs Oma.
Vladimirs Oma (Darstellerin Linda) kommt ebenfalls unter dem Tuch hervor.
Oma flucht leise: Bah ist das staubig hier unten? Wie ist meine Frisur?
Vladimir: Super!
Oma: Danke.
Darstellerin Julia wickelt die Oma ins Tuch ein.
Vladimir: Vladimir mag seine Oma gerne. Sie macht ständig Witze, die keiner versteht. Aber Vladimir muss trotzdem lachen. Vladimir und seine Oma machen stundenlang zusammen Kreuzworträtsel. Manchmal weiß sie ein Wort nicht, weil sie zu alt ist. Dann weiß es meistens Vladimir. Manchmal weiß Vladimir ein Wort nicht, weil er zu jung ist. Dann weiß es meistens die Oma. Dreimal haben die beiden schon was gewonnen. Bei Vladimirs Oma gibt es zum Nachtisch immer Schwarzwälder Kirschtorte und Eis. Vladimir ist jeden Montag, Mittwoch und Donnerstag bei seiner Oma.
Darstellerin Julia ins Mikro: Montag.
Vladimir fröhlich Hallo Oma.
Oma: Purzelbäumchen! Da bist du ja endlich!
Die Oma umschlingt Vladimir mit ihren Armen, knuddelt und küsst ihn.
Darsteller Johannes und Darstellerin Julia imitieren Kussgeräusche ins Mikrofon.
Oma: Ja hast du denn schon Hunger? Ich mach dir was.
Vladimir wischt sich mit dem Hemdärmel sein Gesicht ab.
Vladimir: Es gibt an Vladimirs Oma nur ein einziges klitzekleines Problem.
Darstellerin Julia ins Mikro: Mittwoch.
Vladimir: zaghaft Hallo Oma.
Vladimir versucht der Umarmung zu entkommen.
Oma: Purzelbäumchen. Jetzt lass dich doch mal richtig drücken.
Die Oma umschlingt Vladimir und hält ihn fest.
Oma Was willst du denn für einen Nachtisch? Kuchen oder Eis? Haste Glück, ich
habe beides da.
Vladimir wischt sich wieder sein Gesicht ab.
A ins Mikro Vladimirs Oma verteilt Schlabberküsse.

Darstellerin Julia steht vor dem Mikro auf der Bühne. Darsteller Julian steht leicht versetzt hinter ihr.
Julia spricht zum Publikum: Ja aber ich meine man kann doch ganz unterschiedlich zeigen, wie es einem geht. Ich hab vorhin mit einigen von euch gesprochen und euch gefragt, woran ihr erkennt, wie sich jemand fühlt. Und wie ihr eben zeigt, wie es euch geht. Da gab es ganz viele unterschiedliche Antworten und ich würde gerne welche davon zeigen.
Auf der Rückwand der Bühne werden Fotos von Kindern eingespielt, die vor Beginn des Theaterstücks mit ankommenden Kindern aus dem Publikum im Foyer des Theaterhauses aufgenommen wurden. Auf dem ersten Foto ist eine Gruppe von vier Jungen zu sehen, die etwas müde und unmotiviert in die Kamera schauen und die Köpfe und Schultern hängen lassen.
Julia: Also, hier wurde gesagt, man sieht ganz eindeutig am Gesicht, wie es jemandem geht. Wenn es immer länger wird… und immer länger… und fast auf dem Boden hängt, dann ist die Person entweder gelangweilt oder einfach nicht so gut drauf.
Das nächste Foto wird eingeblendet. Darauf zu sehen sind ein paar Mädchen, die in einer Reihe sitzen und die Handflächen auf einem Tisch abgelegt haben.
Julia: Hier. Fand ich auch interessant. An der Stimmlage. War nicht so einfach zu fotografieren. Aber hier zeigen vier Mädels wie ihre Stimmlage sich im Moment befindet.
Das nächste Foto wird eingeblendet. Darauf zu sehen sind ein paar Mädchen, die mit hängenden Köpfen zusammengekauert und etwas von einander abgewandt auf der Erde sitzen.
Julia: Dann. An der Körperhaltung und an der Positionierung. Da, wo man sitzt zum Beispiel. Wie man sitzt. Wie man sich zur Gruppe verhält. Da sieht man auch wie es jemandem geht.
Das nächste Foto wird eingeblendet. Darauf zu sehen sind zwei Jungen, die dicht nebeneinander sitzen und selbstbewusst lächelnd in die Kamera schauen.
Julia: An der Stimmung. Ich finde, das sieht man hier recht gut. Die Stimmung. Die Stimmung macht es. Man sieht an der Stimmung, wie es jemandem geht. Hier eindeutig gut.
Das nächste Foto wird eingeblendet. Darauf zu sehen sind ein paar Mädchen, die im Kreis stehen und aufgeregt und fröhlich miteinander im Gespräch sind und dabei mit ihren Armen und Händen gestikulieren.
Julia: Dann. An der Art, wie man miteinander spricht. Also… wie laut, wie leise, wie hoch, wie tief.
Das nächste Foto wird eingeblendet. Darauf zu sehen sind vier Mädchen, die die Arme gekreuzt und wie zum Schutz vor dem Körper halten, irritiert schauen und sich zu winden scheinen.
Julia: Und so an den Knoten, die man im Körper hat.

Paula (Darstellerin Julia) steht mitten auf der Bühne. Dann dreht sie sich rum und bewegt sich schnell auf die Bühnenklappe zu. Sie öffnet die Klappe mit einem lauten Rums, hockt sich davor und ruft nach unten.
Paula: Hallo?!
Auf der Videoleinwand erscheinen zwei Mädchen der Videokinder, die auf einer Bank sitzen und nach oben schauen.
Kinder: Ja!
Paula: Darf ich euch mal was fragen?
Kinder: Ja!
Paula: Gut.
Paula geht durch die Klappe und schließt diese hinter sich. Dann taucht sie einen kurzen Moment später im Videofilm wieder auf. Sie setzt sich zwischen die Kinder auf der Bank.
Paula: Muss man mit 12 eigentlich schon geküsst haben?
Kind 1: Wieso denn mit 12?
Kind 2: Du kannst auch mit 15 oder mit 25 küssen. Genau dann, wenn du bereit bist!
Paula: Aber wie merkt man, dass man bereit ist?
Kind 2: Na wenn du verliebt bist oder einen Freund hast.
Kind 1: Wenn du dich darauf freust.
Paula: Und wann ist der richtige Moment für den ersten Kuss?
Kind 2: Keine Ahnung, du merkst das dann schon!
Kind 1: Bei jedem ist das anders!
Kind 2: Wichtig ist, dass beide es wollen!
Paula: Das heißt, man muss nicht?
Kind 1: Nein, man muss nur Zähne putzen!
Paula erleichtert: Ah! Ok! Vielen Dank! Tschüss
Kinder: Tschüss.
Paula steht auf und klettert wieder die Treppe hinauf. Die Luke auf der Bühne springt auf und sie kommt heraus auf die Bühne zurück. Sie starrt einen Moment zögernd auf das große Tuch auf der Bühne. Dann rennt sie darauf los und beginnt es von der darunterliegenden Linda (Darstellerin Lisa) wegzuziehen.
Paula: Linda. Linda wach auf, Linda, ich muss dir was sagen.
Linda schlaftrunken: Es ist doch mitten in der Nacht.
Paula: Wach auf. Ich muss Dir was sagen. Ich muss dir was ganz Wichtiges sagen. Wach doch endlich auf.
Paul zerrt Linda weiter die Decke weg.

Alina (Darstellerin Lisa) steht mitten auf der Bühne. Sie schaut angespannt und unsicher. Alinas Papa (Darsteller Johannes) stürmt wild plappernd hinter ihr auf die Bühne. Er sinniert hektisch und in sich versunken vor sich hin, was für die Hochzeitsfeier noch alles erledigt werden muss und beginnt das Tuch mittig aufzuhängen. Alina zögert, dann will sie von der Bühne gehen. Schließlich dreht sie doch um und spricht ihren Vater an.
Alina: Papa?
Papa: Ja Alina was gibts?
Alina: Ich freue mich gerade gar nicht mehr so auf die Hochzeit.
Papa: Was? Du freust dich nicht mehr... also wirklich Alina, wir haben alle so viel zu tun. Deine Mutter weiß vor lauter Arbeit gar nicht mehr, wo ihr der Kopf steht. Und da hilft es nicht, wenn Du in der Ecke sitzt und so ein Gesicht ziehst. Du solltest lieber deinen Teil dazu beitragen, dass es ein gelungenes Fest wird. Als erstes könntest du zum Bespiel mal dein Zimmer aufräumen...
Alinas Mutter (Darstellerin Julia) kommt dazu und beginnt ihrem Mann beim Aufhängen des Tuches zu helfen. Auch sie plaudert aufgeregt daher, wie man für das Hochzeitsfest den Raum gestalten könnte.
Alina: Mama?
Mama: Ja mein Schatz?
Alina: Denis ist gar kein richtiger Märchenprinz.
Mama: Natürlich ist er das! Für deine Schwester ist er ein Märchenprinz. Oder bist du
vielleicht eifersüchtig?
Alina: Nein Mama, der ist kein Märchenprinz. Der ist richtig eklig.
Mama: Wie bitte? Pass mal bitte auf, was Du da sagst. Ja, das will ich nicht mehr hören. Ekelig. Wir haben hier alle so viel zu tun….
Alina stürmt vom Geschehen weg. Sie läuft zum Mikroständer und spricht hinein.
Alina ins Mikro: Opa?
Opa (Stimme von Darsteller Julian aus dem Off) ins Mikro: Hier ist der automatische Anrufbeantworter von Alinas Opa. Ich bin bis zum Tag der Hochzeit am Strand am Meer. Bitte hinterlassen Sie Ihre Nachricht nach dem... (Piep-Geräusch).
Alina allein auf der Bühne: Kein Mensch glaubt mir. Niemand hört mir zu. Ich werde niemals jemals irgendjemandem irgendetwas erzählen.
Alina nimmt ihre Taschenlampe und steigt ins Tuch, das wie ein Kokon an der Decke hängt. Sie schluchzt leise.

Alinas Schwester Maya (Darstellerin Julia) steht auf der Bühne neben dem Tuch-Kokon, in dem sich Alina (Darstellerin Lisa) verkrochen hat. Sie schaut zum Kokon herüber. Dann macht sie einen Schritt darauf zu und hockt sich hin.
Maya: Aber Alina, ich bin groß, du musst dir keine Sorgen um mich machen. Wirklich. Du kannst es mir erzählen.
Alina schaut aus dem Kokon raus, guckt erst Maya an und spricht dann ins Publikum.
Alina: Und obwohl Alina eigentlich auf keinen Fall ihrer Schwester Maya was sagen wollte, beginnt sie nun doch zu erzählen. Viele Worte fehlen ihr. Trotzdem schafft sie es, zu beschreiben, dass sie neulich mit Denis etwas erlebt hat, dass sich ekelhaft
unangenehm angefühlt hat. Nach und nach fallen ihr bessere Wörter ein. Sie kann immer genauer beschreiben, wie sehr sie sich gefürchtet hat, als Denis ihr im Auto so nahe kam. Und geschämt später. Und wie traurig sie dann war. Und wie alleine. Alles, alles, einfach alles sprudelt jetzt aus ihr heraus. Danach fühlt sie sich erst mal besser. Aber als sie Mayas erschrockenes Gesicht sieht, bekommt sie es wieder mit der Angst zu tun.
Maya zu sich: Ich glaub das nicht. Ich kann das nicht glauben.
Alina ohne Mikro Jetzt glaubst du mir doch nicht, stimmts? Jetzt gehst du zu Denis und heiratest ihn und redest nie wieder ein Wort mit mir, weil du denkst, dass ich lüge.
Bist du sauer?
Maya: Nein, ich bin nicht sauer, ich bin….so laut ahhhhh... Ich weiß auch nicht, wie ich bin…
Alina wickelt sich ängstlich wieder in ihren Kokon. Maya bemerkt Alina. Sie beruhigt sich.
Maya: Hey Alina. Alina. Es ist gut, dass du es mir erzählt hast! Du hast keine Schuld daran. Ich glaube dir, Alina.
Alina öffnet den Kokon ein wenig.